Wissenschaft|6. Dezember 2025
Kausal-Diagramme
Kausal-Diagramme sind einfache Skizzen aus Kästchen und Pfeilen, mit denen wir nach dem Lesen die Ursache-Wirkungs-Beziehungen eines Fachtexts sichtbar machen. Genau dieses Sichtbarmachen liefert die harten Hinweise, die gutes Monitoring braucht: Statt auf das Lesetempo oder ein angenehmes Verstanden-Gefühl zu vertrauen, sehen Lernende unmittelbar, wo Felder fehlen, Pfeile unsicher sind oder Beziehungen nicht stimmen.
Eine aktuelle Studie prüfte, ob das reine Diagrammieren reicht – oder ob eine zusätzliche, explizite Selbstbewertung der eigenen Diagramme die Sache noch besser macht. Das Setting war groß angelegt: 427 Lernende wurden zufällig drei Bedingungen zugeordnet – Diagrammieren, Diagrammieren plus Selbstbewertung oder eine neutrale Kontrollaufgabe.
Das Ergebnis ist klar und zugleich überraschend nüchtern: Beide Diagrammier-Bedingungen führten zu signifikant höherer metakognitiver Genauigkeit – sowohl relativ (Wie gut passen meine Einschätzungen pro Text zu meinen späteren Testergebnissen?) als auch absolut (Wie groß ist mein Über-/Unterschätzungsfehler?) – verglichen mit der Kontrolle. Zwischen Diagrammieren allein und Diagrammieren plus Selbstbewertung zeigte sich jedoch kein Unterschied. Offenbar schätzen viele Lernende ihre Diagramme ohnehin schon nebenbei ein. Zudem waren die Selbstbewertungen – wenn erhoben – präziser als die reinen Verständniseinschätzungen und korrelierten stark mit ihnen. Die Effekte lagen auf der Monitoring-Ebene. Testleistungen selbst verbesserten sich in dieser Untersuchung nicht signifikant – ein Hinweis darauf, dass das primäre Plus hier in kalibrierteren Urteilen und damit besseren Lernentscheidungen liegt.
Für die Praxis heißt das:
Nach einem Fachtext lohnt sich ein kurzer, konsequenter Diagrammier-Slot von wenigen Minuten. Lernende skizzieren die zentralen Konzepte und Beziehungen, blicken anschließend einmal kurz auf die eigene Skizze und beantworten für sich die schlichte Frage, „Was fehlt mir noch – und wo genau?“. Diese Mini-Routine reicht in der Regel, um die metakognitive Genauigkeit spürbar zu heben. Zusätzliche, ausführliche Selbstbewertungsanweisungen sind optional. Entscheidend ist, dass das Diagramm die Entscheidung über das Nachlernen steuert: Statt alles noch einmal zu lesen, werden gezielt die Passagen nachgearbeitet, die im Bild Lücken zeigen – ein guter Zeitgewinn.
Warum das wirkt, ist theoretisch gut erklärbar: Diagramme zwingen zur Explikation. Wer Beziehungen zeichnen muss, erzeugt diagnostische Hinweise, die viel enger mit echtem Verständnis verknüpft sind als diffuse Eindrücke wie Lesefluss oder Themenvertrautheit. Metakognitive Urteile werden dadurch näher an die Realität gezogen – und wo Urteile präziser sind, werden Restudy-Entscheidungen treffsicherer. Genau an dieser Stelle sitzt der Hebel für nachhaltigeres Lernen: Bessere Kalibrierung führt zu besseren Prioritäten.
Quelle
Pijeira-Díaz, H. J., van de Pol, J., Channa, F., & de Bruin, A. (2023). Scaffolding self-regulated learning from causal-relations texts: Diagramming and self-assessment to improve metacomprehension accuracy? Metacognition and Learning, 18(3), 631–658. https://doi.org/10.1007/s11409-023-09343-0